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KOMPLEXE UND DYNAMISCHE REALITÄTEN – WISSEN WIR DAMIT UMZUGEHEN?

     “Putting complexity to work – supporting the Practitioners” lautete das Thema eines vom Unternehmen abaci organisierten und moderierten Workshops, der am 24. September 2009 Im Rahmen der European Conference on Complex Systems (ECCS 2009) an der Universität in Warwick (Großbritannien) stattfand und diese Frage behandelte.

     Im Workshop wurden neue Wege im Umgang mit den komplexen Gegebenheiten in der täglichen Praxis aufgezeigt. Dabei wurde deutlich, daß Erkenntnisse aus dem Forschungsbereich der Komplexen Systeme das Arbeiten in beispielsweise den Bereichen Katastrophenhilfe, Humanitäre Hilfe, Klimawandel, Nachhaltige Entwicklung, Gesundheitswesen, Raumplanung, Logistik oder für das Entwickeln von Unternehmensstrategien unterstützen können.

     Die Komplexitätswissenschaft ist in idealer Weise geeignet auf diese Art von Aufgaben einzugehen. Sie beschäftigt sich mit Phänomenen, die aus dynamischen, miteinander zusammenhängenden natürlichen Prozessen auf der Erde hervorgehen. Sie liefert Ansätze zum Verstehen und Lösen von komplexen Probleme und zeigt wie die sich aus dynamischen Wechselwirkungen komplexer Systeme neu entstehenden Gelegenheiten genutzt werden können.

     Die Bedeutung des Workshops wurde in einer öffentlichen Veranstaltung mit dem Titel 'The Complexity of Global Change’ im Rahmen der ECCS 2009 verdeutlicht. Eine Expertenrunde brachte in dieser Veranstaltung die Erkenntnis zum Ausdruck, daß komplexe Probleme, wie z.B. der Klimawandel, momentan nicht angemessen untersucht  werden können. Das unvollständige Verständnis von Variablen, das Fehlen, geeigneter, oft nicht faßbarer Daten sowie die unzulängliche Modellierung komplexer Realitäten wie zum Beispiel die des menschlichen Verhaltens wurden hierbei genannt. Dadurch sind die Ergebnisse von Vorhersagemodellen für Politik und Entscheidungsträger nur eingeschränkt nutzbar.

     Die Themen, die in der Expertenrunde zur Sprache kamen, dienen als gut Beispiele für die Herausforderungen in der Praxis, die der Workshop am 24. September behandelte.

     Im Workshop wurden einerseits eine gemeinsame Verständnisgrundlage hinsichtlich komplexer und dynamischer Gegebenheiten zwischen Wissenschaftlern aus dem Bereich der Komplexen Systeme und Fachleuten geschaffen, als auch Ansätze und Strategien für den Umgang mit diesen Gegebenheiten aufgezeigt. Auf Grundlage der Erfahrungen von Fachleuten untersuchten die Teilnehmer, wie die Komplexitätswissenschaft zu Nachhaltigen Lösungen und zur Einführung neuer Lösungsansätze für komplexe Realitäten beitragen kann. Zu diesem Zweck waren sowohl Wissenschaftler aus dem Bereich der Komplexen Systeme als auch Fachleute aus den verschiedensten Berufsfeldern und von unterschiedlichen Entscheidungsebenen zum Workshop eingeladen.

     Am Vormittag gaben Referenten Einblick in die Vielfalt komplexer Probleme. Robert Holloway, Direktor der AFP-Stiftung in Paris sprach über seine Erfahrungen in der Ausbildung von Journalisten in Entwicklungsländern. Eileen Conn (Living Systems Ltd) erläuterte Strategien für das Zusammenspiel von Bürgerengagement und Institutionen. Anna Plodowski gab einen Erfahrungsbericht vom Peckham Power Project, einem Bürgerbeteiligungsprojekt zur Einführung erneuerbarer Energien.

     In der anschließenden Gruppenarbeit wurden zusätzlich die Erfahrungen der einzelnen Workshop Teilnehmer gesammelt und in Problembereiche gegliedert.

Zu den aufgezeigten Problemen zählen:

  • In der Praxis angewandte vereinfachende, reduktionistische Ansätze werden komplexen Gegebenheiten oft nicht gerecht.
  • Komplexität wird als schwierig aufgefaßt.
  • Häufig werden komplexe Probleme oder Situationen nicht als solche erkannt, die Notwendigkeit entsprechender Lösungswege daher entsprechend ebenfalls nicht.
  • Die Notwendigkeit die verschiedenen Sichtweisen der Beteiligten mit einzubeziehen wird vernachlässigt.
  • Die eingeschränkte Eignung von Modellen für komplexe Sachverhalte wird nicht erkannt.
  • Das grundlegende Fehlen von Interoperabilität zwischen Daten, Mentalität und Organisationen.
  • Die 'richtigen' Daten sind oft nicht verfügbar, manchmal sogar nicht faßbar.
  • Top-down Ansätze werden oft als der einzige Möglichkeit betrachtet, reale Probleme zu lösen.

     Am Nachmittag erläuterten Referenten eine Reihe von möglichen, aus der Komplexitätswissenschaft hervorgehenden Lösungsansätze und Anwendungsstrategien für Probleme dieser Art. Dave Palmer (Phrazzle Associates) präsentierte Alternativen in der Unternehmensführung. Dr. Erik de Man aus den Niederlanden führte die Transdisziplinarität als Denkmodell im Umgang mit Komplexität ein. Lucian Hudson (Collaborative Strategies Network) faßte die Veränderungen zusammen, die auf wirtschaftlicher, sozialer und gesellschaftlicher Ebene notwendig sind, um Komplexität gerecht zu werden.

     In Gruppenarbeit wurden anschließend die am Vormittag vorgestellten Problembereiche wieder aufgenommen und weitere Lösungsansätze erarbeitet. Dabei wurden auch Faktoren, die diese Ansätze ermöglichen oder erschweren sowie die Abhängigkeit der Faktoren untereinander bestimmt.

     Ein zentrales Ergebnis der Gruppenarbeit war, daß das umfangreiche Verständnis der Komplexität des zu behandelnden Problems Voraussetzung für die Wahl geeigneter Methoden und Instrumente ist.

     Die Ergebnisse des Workshops werden Ende November 2009 auf der abaci Webseitein einem White Paper veröffentlicht, und am 2011 ein Buch "Complexity Demystified - A Guide for Practitioners".

Christine Broenner

[31 Jul 2023]